Innere Revolution eines Jungen Wilden
Nachfolgender Artikel erschienen im Freien Wort, Lokalteil Sonneberg, 22.07.2019.
Autor: Peter Müller
Die expressiven Bilder des jungen Künstlers Nic Möckel faszinieren die Besucher des Ali Kurt Baumgarten-Museums in Judenbach.
Judenbach - Es braucht Nähe und Konzentration, um das anfängliche Chaos, das die Galerie in Judenbach auf den ersten Blick füllt, zu entwirren. Dann aber zeigt sich jedes einzelne Werk des 17-jährigen Nic Möckel aus Plauen als ein wohlgeordnetes, durchkomponiertes Chaos, das die Komplexität der "Welt im Kopf" (Elias Canetti) und ihre alltägliche Reduktion auf simple Lösungsansätze zum Ausdruck bringt. Es ist ein unmittelbarer explosiver Ausbruch der spontanen Emotionen und Gedankenfetzen, die den Betrachter anspringt. Er spürt das Expressive und Revolutionäre des künstlerischen Ausbruchs, der Zusammenhänge freisetzt und sucht, der die Reflexion auf die Frage nach dem Sinn des Seins in Gang setzt. Der US-amerikanische Graffitikünstler Jean-Michel Basquiat (1960-1988) ist mit seinen Werken, die zwischen Malerei und Zeichnung angesiedelt sind, das Vorbild für den neuen "Jungen Wilden". Er war der erste afroamerikanische Künstler, der in der weißen Kunstwelt den Durchbruch schaffte. Er gab den Gefühlen der Schwarzen, die in Brooklyn ihr Leben erdulden müssen, einen nachvollziehbaren Ausdruck. Ihm hat Nic Möckel seine erste Einzelausstellung mit Malerei, Collage und Zeichnungen gewidmet. Es ist eine "Hommage à Jean-Michel". Neben Basquiat orientierte sich Nic Möckel an der "entarteten Kunst" des deutschen Expressionismus und am Realismus vor allem von Otto Dix. Seine Kunst entsteht aus dem Bauch heraus. Er ist ein sehr talentierter Zeichner gewesen, wie seine Skizzen belegen, die auch in Schulstunden nebenbei aus ihm hervorbrechen. Wie das Schaffen und Leben bei Ali Kurt Baumgarten immer im Einklang standen, so arbeitet Nic Möckel nach bestem Wissen und wahren Gefühlen. Die sind für einen Siebzehnjährigen gegenwärtig recht dunkel und chaotisch. Struktur und Farbe bringt die Kunst in diese neue Unübersichtlichkeit. Dabei wagt er sich mit seinen Bildern aus Zeichnungen, starken Farbakzenten im Gebrauch unterschiedlicher Materialien, Verso-Darstellungen als zusätzlicher Bildebenen, vorgefundenen Wörtern, Buchstaben, Zahlen, Zeichen, Piktogrammen, Logos, Symbolen und Neologismen, die unsere äußere Wahrnehmung beherrschen. Sie graben sich auch in unsere innere Anschauung ein und verändern die ästhetische Urteilskraft, deren Maß das intelligibel Menschliche ist, der vernunftbegabte Mensch. Während sich die "Jungen Wilden" der ehemaligen Avantgarde der 70er Jahre schnell etabliert hatten, ist Nic Möckel die Gefahr des Manierismus und des Kunstbetriebes wohl bewusst. Seine inspirativen, assoziativen und spontanen Arbeiten frieren das Gegenwärtige ein und verweisen zugleich als Improvisationen auf ein zu lösendes Zukünftiges. Damit gibt der junge Künstler der Kunst ihren ethischen Maßstab zurück. Professor Gerhard Bauriedel aus München, der in das Werk Nic Möckels informativ und hilfreich einführte, würdigte den jungen Künstler als mutigen Höchstbegabten, dem diese erste Einzelausstellung im Ali Kurt Baumgarten-Museum als das Nadelöhr dienen mag, durch das Künstler anfangs gehen müssen, um ihren künstlerischen Reifeprozess vollenden zu können. Eine Voraussetzung, deren es neben der Courage und Authentizität des Künstlers bedarf, ist der Mut eines Galeristen, wie er von der Stiftung Judenbach und dem Förderverein Ali Kurt Baumgarten-Museum bewiesen worden ist.